Berliner Bundeswehr-Büros geoutet: Der Antimilitaristische AdventskalendA

Die Gruppe a.a.k. (Antimilitaristischer Adventskalender) klebte im Dezember lustige Smileys mit Sprechblasen an 14 Bundeswehr-Büros, -Krankenhäuser, Kasernen und mehr. Auf den Sprechblasen stand „Bundeswehr: Zum Kotzen“, „Brauner Nazi-Haufen“ oder „Lol, was kümmern uns Menschenleben?“ Einige Bundis ärgerten sich, Militärbischhöfe gaben in Pressestatements salbungsvoll Kund von ihrer Dialogbereitschaft. Jetzt veröffentlichte die Gruppe einen Liste der Liegenschaften, eine Zusammenfassung der Reaktionen und ihr Fazit bei emrawi.org. Hier der Text der Gruppe:

Was bringts?
Mit den Aktionen und den anschließenden Veröffentlichungen haben wir in guter alter sozialistischer Tradition der „Allgemeinbildung“ (so sagten die früher…) das Wissen über die eher unbekannten innenstädtischen Militär-Orte einem breiteren antimilitaristischem Publikum bekannt gemacht. Jetzt wissen hoffentlich ein paar mehr Leute, was hinter den schicken Büro-Fassaden getrieben wird.

Kritik an der Bundeswehr signalisiert den Militärs, dass ihr Narrativ über ihre Tätigkeiten nicht unangefochten ist, sondern dass man in ihnen auch einfach Mörder*innen in Uniform mit Hang zum Nazi-Preppertum sehen kann. Das ärgert die Bundis natürlich enorm. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass bereits solche kleinen, aber öffentlichen Aktionen bei den Militärs wilde Paranoia auslösen.

Wir dürfen also davon ausgehen, dass die Bundis ein paar Euro in die Hand genommen haben, um die besuchten (und auch die nicht besuchten!) Berliner Liegenschaften noch stärker zu bewachen. Die ersten Euros des 100 Mrd. Sondervermögens sind damit schon sinnlos vertrödelt statt in neue Waffen gesteckt worden. Hoffentlich hat unser kleiner bescheidener Beitrag zur Verschwendung der Aufrüstungs-Gelder auch dafür gesorgt, dass durch den zusätzlichen Wachbedarf der Weihnachtsurlaub des ein oder anderen Bundis etwas abgeschmolzen ist.

Reaktionen
Eine wütende Reaktion gab es vom Bundeswehr-Verband. Dessen Vorsitzender Patrick Sensburg ärgerte sich auf Facebook: „Am Wochenende sind mal wieder Chaoten durch Berlin gezogen und haben Einrichtungen der Bundeswehr beklebt. (…) Ich habe gestern noch Anzeige erstattet und heute versucht, die Schilder zu beseitigen. Leider sind die Schilder mega fest geklebt!“

Bemühte Lässigkeit beim Reservistenverband

Betont lässig gab sich die Konkurrenz vom Reservistenverband. Deren stellvertretender Vorsitzender Marcel Bohnert kommentierte das „Zum Kotzen“ und das „Brauner Nazi-Haufen“ an der Fensterfront seines Verbandes mit einer Story auf Instagram. Er postete Bilder der Smileys und ergänzte sie um ein GIF eines weiteren Smileys, der betont lässig vor sich hin pfiff. Der Arme ärgerte sich bereits 2021 über „verunstaltete Werbeplakate, Nazi-Vorwürfe und Kotz-Smileys in sozialen Medien (…).“

Militärbischof „offen für Dialog“

Reagiert hat außerdem der katholische Militärbischof. Bei seinem Büro am Weidedamm 2 prankte ebenfalls der Kotze-Smiley, aber auch ein Lach-Smiley mit den Worten: „LOL, was kümmern mich Menschenleben?“ Die Aktion sei zunächst unbemerkt geblieben, sagte ein Sprecher des Bischofs. Man bleibe aber „offen für Dialog“, „wenn das Gespräch mit uns gesucht wird“.

Unsachliche Kritik?

Weniger cool sah die Aktion der Weihbischof Dr. Matthias Heinrich vom Erzbistum Berlin. In seiner BZ-Kolumme am 8.12.22 stellte er zwar fest: „Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung eigener Anliegen – und seien es die besten – ist biblisch schwerlich zu begründen und trotzdem halte auch ich die Lieferung von Waffen an die Ukraine zur Verteidigung für legitim.“ Auch die Unterstützung von sogenannten „Auslandseinsätzen“ durch die Bundeswehr wolle er nicht infragestellen. „Wenn jetzt ein sogenannter ‚Antimilitaristischer Adventskalender‘ mit großen Aufklebern und reichlich unsachlich seine Kritik am Katholischen Militärbischofsamt (KMBA) platziert, so ist das natürlich eine legitime Meinungsäußerung, aber mit Aufklebern kann man schlecht diskutieren und über die Aussage ‚Bundeswehr: Zum Kotzen!‘ kann man nur schwer ins Gespräch kommen.“

Derweil setzte sich der Einladungs-Narrativ durch, denn auch der Vorstand des „Bundes Deutscher Einsatz Veteranen“ sprang auf. Auf Facebook luden sie ein, den Verband bei der Arbeit zu begleiten. Sie behaupteten, keine Soldatin „verherrlicht in irgendeiner Weise Krieg. Im Gegenteil sind Soldaten manchmal die besseren Pazifisten, weil sie wissen wovon sie reden. Trotzdem nehmen sie die Gefahren eines Einsatzes in Kauf, damit wir alle in Frieden schlafen können. Diese Menschen haben Respekt verdient und jede Hilfe die sie bekommen können sollte selbstverständlich sein.“ Wir sollten einfach mal vorbei kommen, „die Adresse kennen sie ja schon.“

Der Vorstandsvorsitzende Oberstleutnant Berhard Drescher kommentierte ebenfalls auf Facebook die liberale Reaktion seiner Vorstandskolleg*innen und gab einen Einblick, wie das Treffen wohl ablaufen würde: „Ich würde mich ja so über einen gemeinsamen Kaffee freuen….🤗“

Bernhard Drescher warnte 2021 anlässlich des Abzuges der deutschen Kolonialtruppen aus Afghanistan übrigens bereits selbst in den Medien vor dem Rechtsdrall der Veteran*innen-Organisationen: „Noch mehr von ihnen könnten nach Rechtsaußen abdriften„, sagte er. In der Folge entstünden neuerdings rechtsorientierte Veteranen-Gruppen.

Aufkleber bestellen!

Die Smiley-Aufkleber haben wir nicht selbst gemacht. Netterweise hatte uns die Kampagne „Werbung abrüsten!“ Adbusting-Überkleber zugesendet, die eigentlich für die nächste Welle von Werbepostern der Bundis im Nahverkehr gedacht sind. Die Adbusting-Überkleber bei der Kampagne „Werbung abrüsten!“ bestellen:


https://werbungabruesten.blackblogs.org/

Und jetzt kommen die Liste mit den Aktionen an den Innenstadt-Standorten des Militärs in Berlin (mit Karten). Könnt ihr ja vielleicht noch besuchen…

Aktionen:

29.11. Bundeswehr-Showroom, Bahnhof Friedrichstraße
https://de.indymedia.org/node/240777

1.12. katholischer Militärbischof, Am Weidedamm 12
https://de.indymedia.org/node/241234

4.12. Reservistenverband, Charlottenstraße 35
https://de.indymedia.org/node/241953

5.12. Bundeswehr-Karrierecenter, Friedrichstraße 147
https://de.indymedia.org/node/242019

6.12. Wehrbeauftragte des Bundestages, Neustädtischen Kirchstraße 15
https://de.indymedia.org/node/242389

7.12. Bund Deutscher Einsatz Veteranen, Unter den Linden 21
https://de.indymedia.org/node/242541

9.12. bundeswehr.de, Reinhardtstraße 52
https://de.indymedia.org/node/243668

12.12. Bundeswehr-Verband, Stresemannstr. 57
https://de.indymedia.org/node/244543

14.12. Volksbund Kriegsgräberfürsorge, Lützow-Ufer 1
https://de.indymedia.org/node/245503

15.12., kein AdventskalendA, aber trotzdem gut: Potsdamer Aktivist*innen bekleben Büro des Bundeswehr-Profs Sönke Neitzel in der Uni Potsdam:
https://de.indymedia.org/node/245636

18.12. evang. Militärbischof, Jebensstraße 3
https://de.indymedia.org/node/246192

19.12. Radarturm, Columbiadamm 76
https://de.indymedia.org/node/246380

20.12. BW-Consulting, Schöneberger Ufer 91
https://de.indymedia.org/node/246617

21.12. Bundeswehr-Krankenhaus, Scharnhorststraße 13
https://de.indymedia.org/node/246802

23.12. Cyber Innovation Hub, Franklinstraße 10
https://de.indymedia.org/node/247542

24.12. Kriegsministerium, Staufenbergstraße 18
https://de.indymedia.org/node/247611